Grenzen überwinden – für einen europäischen Mauerfall!
Grenzen überwinden – für einen europäischen Mauerfall!
In den letzten Wochen haben sich die Ereignisse überschlagen. Die Bewegung der Refugees hat – noch einmal – mit aller Deutlichkeit gezeigt: Die Festung Europa ist nicht allmächtig, Menschen lassen sich nicht mit Zäunen, Memoranden, Polizei und Armee aufhalten.
Die aktuelle Dynamik der Bewegung, die Verzweiflung und der Mut der Flüchtlinge haben neue Fakten geschaffen und das Grenzregime praktisch herausgefordert: Jene Menschen, deren Schicksale hier normalerweise nur als anonyme Statistiken verhandelt werden, sind im selbsternannten Kerneuropa angekommen.
Die Realitäten der Festung Europa zeigen sich nicht länger nur an den tödlichen EU-Außengrenzen. Sie sind hier in Deutschland, hier in Frankfurt angekommen. Keiner kann jetzt noch die Augen davor verschließen – und das tun die Menschen auch nicht.
Während die offizielle Politik erst einmal Luft holen musste, haben sich tausende Menschen spontan organisiert, um die Ankommenden zu versorgen und praktische Solidarität zu leisten. Sie haben Hilfsgüter gesammelt, sie waren an den Bahnhöfen aktiv, haben in sozialen Medien Informationsnetzwerke geschaffen und ihre Wohnungen für Menschen geöffnet, die bereits seit Wochen und Monaten unterwegs waren.
*Eine solidarische Praxis breitet sich aus*
Vor allem haben zahlreiche Personen dabei auch sogenannte Fluchthilfe geleistet:
Was mit kleineren Einzelaktionen begann, weitete sich innerhalb kürzester Zeit zu einer massenhaften und radikalen Praxis des „zivilen Ungehorsams“ aus.
Zahlreiche Privatautos und schließlich immer mehr gemeinschaftliche organisierte Konvois fuhren an die österreichisch-ungarische Grenze, weiter nach Ungarn, nach Serbien oder bis Mazedonien. Sie starteten voll beladen mit Hilfsgütern und kehrten mit Menschen auf der Rückbank zurück, die auf den Bundesstraßen oder Autobahnen unterwegs waren oder an den Bahnstationen festsaßen.
Mehrere hundert Menschen konnten mittlerweile auf diese Art und Weise dabei unterstützt werden, die Grenzen zu überwinden.
Dabei haben auch die „Fluchthelferinnen“ bewusst eine Grenzübertretung begangen. Ihre Praxis ist der Politik meilenweit voraus: Sie haben der Ablehnung des herrschenden Grenzregimes einen konkreten Ausdruck verliehen.
Die hier gelebte Solidarität ist radikal, transnational und erschüttert die tödliche Festung Europas.
Damit zeigen sich Momente einer gesellschaftlichen Praxis, die ausgehend von der Bewegung der Geflüchteten zu einem Teil der transnationalen Solidaritätsbewegung gegen die tödliche Festung Europas geworden ist.
An diese positive Dynamik und Erfahrungen des Aktivismus und der Solidarität müssen wir jetzt anzuschließen. Es gilt, die Erfahrungen der letzten Wochen auszuweiten, dauerhaft werden zu lassen und die Bewegungen der Geflüchteten ebenso zu unterstützen wie den Widerstand gegen die autoritäre Austeritätspolitik in Europa: Gegen den Coup der Troika in Griechenland ebenso wie gegen die Zerschlagung sozialer Infrastruktur in ganz Europa und auch in Deutschland, dem vermeintlichen Krisengewinner!
*Das Imperium schlägt zurück*
Denn die autoritären und neoliberalen Ordnungshüter formieren sich bereits:
Noch während Deutschland die Willkommenskultur zelebriert, werden Asylrechtsverschärfungen eingeführt. Immer lauter werden die Rufe nach „Sicherheit und Ordnung“, endlich müsse wieder „Normalität“ einkehren.
Grenzen werden willkürlich geöffnet und geschlossen, nicht nur in Ungarn (das damit ja nur geltendes EU-Recht umsetzt), auch Deutschland und Österreich ziehen mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen nach.
Rufe nach „Bekämpfung der Schleuserkriminalität“ und also nach einer weiteren Militarisierung an den Grenzen, Diskussionen um „Fehlanreize“ oder „sichere Herkunftsstaaten“ bestimmen die Debatte. Durch künstlichen Notstand erschafft Deutschland ein „Flüchtlingsproblem“, obwohl es als eines der reichsten Länder der Welt problemlos mehr Flüchtlinge aufnehmen könnte.
Als Krönung kündigt Schäuble – quasi als Willkommensgeschenk im neoliberalen Deutscheuropa – ein neues Sparpaket an, das wegen der Flüchtlinge notwendig geworden sei.
Damit stellt er die Weichen dafür, die aktuellen Debatten zur Flüchtlingsbewegung in die Logik des Austeritätsdiskurses einzureihen.
Er spielt dabei nicht zuletzt den rassistischen und rechtsextremen Angriffen diverser Brandstifter in die Hände. Dies gilt für die Kürzungspolitik insgesamt, die mit einer massiven Umverteilung von Unten nach Oben einhergeht. Einerseits wird die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland und Europa immer größer. Andererseits werden Schulen, Schwimmbäder, Kitas und Jugendzentren eingespart, Arbeitsrechte abgebaut, Löhne gesenkt und Hartz IV wird als Erfolg für dargestellt.
Während sich Deutschland als Willkommens-Weltmeister feiert, verschwinden die Berichte über die brennenden Flüchtlingsunterkünfte ebenso wie die Kritik an der Rolle Deutschlands bei der Durchsetzung der menschenverachtenden Kürzungspolitiken in Europa.
*Gegen ein Europa der Grenzen und des Kaputt-Sparens*
Dazu wir sagen NEIN! - OXI!
Nein wir wollen keine Asylrechtsverschärfungen, keine Panzer an den Grenzen, keine Sparpakete und keine Neiddebatten. Wir wollen keine autoritäres Europa der Austerität und kein tödliches Grenzregime.
Die Bewegung der Flüchtlinge und die massenhaften Solidaritätsaktionen haben nicht nur am Grenzregime gerüttelt, sondern auch die Möglichkeiten aufgezeigt, andere Politiken nicht nur zu denken, sondern auch in eine solidarischen Praxis umzusetzen.
Es liegt an uns zu überlegen, wie wir die Risse, die dieses Grenzregime bekommen hat, auf Dauer stellen und ausweiten werden.
Auf dass die vielen kleinen kollektiven Gewinne der letzten Tage nur der Zünddraht für weitere Kämpfe sind!
Für ein gutes Leben für alle.
Interventionistische Linke Frankfurt/M [iL*]
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